Betriebliche Übung entsteht auch bei irrtümlichen Leistungen durch den Arbeitgeber

Eine betriebliche Übung, aus der sich Ansprüche für den Arbeitnehmer ergeben, kann auch dann entstehen, wenn der Arbeitgeber irrtümlich Leistungen gewährt, weil er davon ausgeht, dass er nach Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung zur Gewährung der Leistung verpflichtet ist.

Dies gilt jedoch nicht, wenn die Betriebsvereinbarung oder der Tarifvertrag missverständlich formuliert waren und der Arbeitnehmer daher mit einer fehlerhaften Umsetzung durch den Arbeitgeber rechnen musste, so dass ein schutzwürdiges Vertrauen bei dem Arbeitnehmer nicht entstanden ist.
Entscheidend ist dabei, ob sich ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung zulässigerweise nach dem objektiven Empfängerhorizont missverständlich auslegen lassen. Dann ist eine Korrektur der betrieblichen Übung durch den Arbeitgeber jederzeit und auch Jahre später noch zulässig.
War der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung jedoch unmissverständlich formuliert und leistete der Arbeitgeber aufgrund eines eigenen Fehlers bei der Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen Zahlungen, zu denen er nicht verpflichtet war, so kann der Arbeitnehmer aus einer solchen, vom Arbeitgeber zu vertretenen, fehlerhaften betrieblichen Übung Ansprüche herleiten.
 
Bundesarbeitsgericht, Urteil BAG 10 AZR 571 11 vom 29.08.2012
Normen: BGB § 611
[bns]
 
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